Eine kurze Geschichte des Yoga

Bereits in den Veden, einer in der Vorzeit mündlich und später schriftlich fixierten Sammlung von religiösen Ritualen und Weisheiten, wird der Yoga erwähnt. Setzt man voraus, dass die indische Kultur, wie wir sie verstehen, um 1500 v. Chr. mit der Erobe-rung des indischen Subkontinents durch die Arier begann, so ist Yoga mindestens 3500 Jahre alt. Wahrscheinlich gab es aber auch schon früher entsprechende religiös-schamanische Opfer- und Extasetechniken mittels derer eine Beziehung zu den Göttern gepflegt werden sollte. In der Zeit, als die Upanishaden entstanden, um 750 v. Chr., kam es zu einer Wen-dung des religiösen Empfindens nach innen. Äußere Opfer wurden mehr und mehr durch innere Opfer ersetzt; statt Tiere oder andere Opfergaben opferte man nun zuneh-mend symbolisch den Atem, als Sinnbild des Lebens. Da von nun an Gott in allem war, wurde es überflüssig äußere Opfer darzubringen. Es ist dies auch die Zeit intensiven Nachdenkens, in der die Grundannahmen der indischen Philosophie entstanden, die Lehre von Samsara dem ewigen Rad des Lebens, Sterbens und der Wiedergeburt, die Lehre von Atman und Brahman. In dieser Zeit wurde auch Yoga erstmalig in Indien populär. bhagavad-gitaDie Bhagavadgita ist das Heldenepos (entstanden um 500-600 v. Chr.), in welchem dem Heerführer Arjuna durch Krishna (dem inkarnierten Gott Vishnu) das Wesen des traditionellen, klassischen Yoga erklärt wird. Hier ist aber nie die Rede von Körperübungen, den Asanas. Vielmehr wird im Bhakti-Yoga (Hingabe an das Göttliche), dem Karma-Yoga (Rechtes Tun) und im Jnana-Yoga (Erkenntnis) eine ethische Grundlage gelegt, die jedem Menschen zugänglich ist. Unabhängig von seinem sozialen Stand oder seiner Kastenzugehörigkeit. Die Yoga-Sutras des Patanjali, (etwa 150 v. Chr.) beschreiben erstmals die bis heute aktuell gebliebenen geistigen Prinzipien des Yoga. Er begründet erstmals eine wissenschaftlich fundierte Systematik des Yoga, der auf die seelischen Grundlagen des menschlichen Dasein und seiner Verdüsterungen eingeht. Auf ihn geht der achtgliedrige Pfad des Ashtanga-Yoga zurück, der auch Raja-Yoga, der königliche Yoga genannt wird. Der Tantrismus stellte (ab etwa 500 n. Chr.) eine revolutionäre Umwälzung in der Kultur und der Religion Indiens dar. War bis dahin das gesamte religiöse Wissen nur bestimmten Kreisen (im Wesentlichen den Brahmanen) vorbehalten und in einer heiligen, nur ihnen zugänglichen Sprache vermittelt, wurde dieses von nun an allen Völkern Indiens zugänglich gemacht. In vortantrischer Zeit galt die Welt als Schein und Illusion (Schleier der Maya) und der Körper als Hemmnis, den es zu überwinden galt. Als Ideal wurde es angesehen, den Körper so weit als möglich aus der Wahrnehmung herauszuhalten, sich in Askese zu üben. Somit ist verständlich, dass es in vortantrischer Zeit keine Körperübungen in Form von Asanas gab. Mit dem Tantrismus erfolgte eine Hinwendung zur Welt und damit auch zum Körper. Die sinnliche Erfahrung wurde zur Erfahrung des Göttlichen, da Gott in allen sei – auch in der erotischen Lust. Leider wird in der allgemeinen Wahrnehmung Tantra verzerrt und auf den sexuellen Aspekt verkürzt wahrgenommen. Die Folge dieser Wende zum Tantra war die Entstehung des Hatha-Yoga ab etwa dem 8. Jh. und dessen Weiterentwicklung bis in die heutige Zeit. Religiöser Bezugspunkt des Hatha-Yoga ist die Verehrung des Gottes Shiva, weshalb nicht wenige Mantras einen entsprechenden Inhalt haben. Ziel ist es nun gerade mittels des Körper und der körperlichen Übungen, eine Begegnung mit Gott zu ermöglichen. In der Hatha-Yoga-Pradipika (etwa 15. Jh.) werden Körperübungen, Atemtechniken, Reinigungstechniken, Konzentrationsübungen u.v.a.m. beschrieben, wie wir sie heute kennen. Wer also heute in einem Yoga-Studio Yoga übt, dann ist es eigentlich immer Hatha-Yoga, auch wenn es Tausende von verschiedenen Bezeichnungen gibt. Philosophischer Grundgedanke des Hatha-Yoga ist, basierend auf dem Tantrismus dass alles göttlich ist und das gesamte Universum nichts anderes ist als Energie in unterschiedlich dichter Schwingung. Allerdings stammt alles, was sich im Universum manifestiert von der Göttin Shakti ab. Somit ist alles mit allem verbunden. Woraus sich der Name Tantra (Gewebe) ableiten lässt. Eine Weiterführung oder Sonderform ist der Kundalini-Yoga. Prinzip und Zweck der Übungen ist es, weibliche und männliche Energie Shakti und Shiva zu vereinen. Dieses sei an anderer Stelle eingehender erklärt. Eine Gegenbewegung zum bestehenden Hatha-Yoga setzte etwa ab dem 15. Jh. ein, indem sich alte religiöse Strömungen erneut durchsetzten und Frauen sowie gewisse Kasten wieder vom Yoga ausgeschlossen wurden. Bis zum Ende des 19. Jh. verschwand der Yoga in der Versenkung und führte ein Schattendasein, der nur gewissen Kreisen vorbehalten blieb. Indien erlebte hier eine Renaissance der Brahmanengesellschaft, die auch heute noch unser Bild von der Kultur Indiens prägt. Eine Neubelebung und Ankunft des Yoga im Westen begann gegen Ende des 19. Jh. Die alten Techniken wurden überprüft und den Bedürfnissen des modernen Menschen angepasst. Dieser Prozess ist eng mit dem Namen Swami Vivekananda verbunden, der dem Yoga zu Beginn des 20. Jh. in den USA zur Akzeptanz verhalf. In Europa wurde Yoga in den 60er Jahren populär, wobei sich allerdings der Akzent von einem spirituellen hin zu einem gesundheits- und fitnessorientierten Yoga verschob. Erst in den letzten Jahren rückte die spirituelle Seite des Yoga wieder in den Vordergrund. In unserer Überflussgesellschaft zeigt sich zunehmend, dass hemmungsloser Konsum kein Weg zu einer gelingenden Lebensführung und Selbstfindung ist. Auf dem Jahrmarkt der Selbstfindungsindustrie finden sich viele zweifelhafte Angebote, wobei Yoga davon nicht ausgeschlossen bleibt. Wir haben ein persönliches Interesse einen Yoga zu lehren, der sich ernsthaft um einen Weg zur spirituellen Lebensgestaltung bemüht. Den Hintergrund für unsere Lebenseinstellung bilden die Lehren des Buddha in seiner Urform und v. a. der Zen-Buddhismus.